Neuzeit
Die Anfänge der neuzeitlichen Steinindustrie
In den Jahrhunderten nach den Römern gingen die Kenntnisse und das Wissen der Bearbeitung von Steinen verloren.
So war das Interesse an dem Felsbergstein eher gering. Benötigte man Steine für Häuser oder Treppen, wurden unbearbeitete Steine einfach „aufgelesen“.
Ende des 19. Jahrhunderts gab es in den Odenwald-Dörfern überwiegend Landwirtschaft, kaum Industrie und daher auch wenig Arbeitsplätze. Lange Wege zu den Arbeitsstellen in die Städte waren notwendig. Viele Odenwälder wanderten nach Übersee aus.
Aber das Jahr 1879 sollte eine grundlegende Wende bringen. Fünf böhmische Steinmetzgesellen machten in Reichenbach Station, entdeckten den „blauen Stein“ und berichteten bei ihrer Rückkehr ins Fichtelgebirge von ihm. Ein Geschäftsmann aus Pilsen schickte sie ins Lautertal zurück und sie schlossen einen Vertrag mit der Gemeinde. Zu einem Preis von 2 Mark pro Kubikmeter konnten frei liegende Gesteine verwendet werden. Schon bald klagten die Gesellen über die Härte des Gesteins und nach drei Monaten beendeten sie ihre Arbeit.
Da kamen genau zur rechten Zeit zwei Steinmetzgesellen aus Tirol und Bayern. Im Frühjahr 1880 nahmen sie ihre Arbeit auf und führten das begonnene Werk fort. Schon ein Jahr später schloss die Gemeinde einen Vertrag mit den Gebrüdern Hergenhahn aus Frankfurt auf 20 Jahre.
Gegen eine Anzahlung von 1600 und einer jährlichen Pacht von 400 Mark konnten die am Felsberg liegenden „Syenite“ bearbeitet und genutzt werden. Karl Hergenhahn war zu einem späteren Zeitpunkt Mitbegründer der heute noch in Reichenbach ansässigen Deutschen Steinindustrie, der DESTAG.
Weitere Steinmetze aus Südtirol und dem Bayrischen Wald wanderten ein, die Reichenbacher erlernten von ihnen schnell das Handwerk und neue Unternehmer ließen sich nieder. Eine blühende Steinindustrie konnte sich entwickeln. Anfangs war das Rohmaterial lediglich die überall im Wald verstreuten und frei liegenden Felsblöcke. Da auf diese Weise keine gleichbleibende Qualität erzielt werden konnte, ging man schnell dazu über, Felsblöcke in Steinbrüchen abzubauen.
Am Felsberg waren zeitweise 14 Steinbrüche in Betrieb und bis zu 70 % der männlichen Bevölkerung des Lautertals hatten durch die Steinverarbeitung Arbeit und Verdienst.
Der Bedarf an Steinen war groß und vielfältig. Sie wurden sowohl als Baumaterial als auch zu Grenz- und Bordsteinen verarbeitet, aber auch für Hafenanlagen, Brücken oder Denkmäler verwendet. Mit den ersten Steinschleifereien kam die Verarbeitung zu Grabsteinen hinzu.
Professor Friedrich Behn, zuständig für die Bodendenkmalpflege, gab 1925 ein Büchlein über die Steinbearbeitung der Römer im Felsberg heraus. Dort schreibt er zur aktuellen Situation der Steingewinnung wie "von früh bis spät der helle Klang der Eisenmeißel oder der dumpfe Schlag einer Sprengung durch den Wald hallt".
Doch die Steinbruchbetriebe am Felsberg bestanden nur noch bis in die sechziger Jahre, 1968 wurde der letzte Steinbruch geschlossen.